Von ultraleichten Gleitsichtbrillen oder Tageslinsen war der römische Redner Cicero noch über zwei Jahrtausende entfernt. Zu seinem Leidwesen musste er sich Texte wegen nachlassender Sehkraft von Sklaven vorlesen lassen. Zwar erkannte man in der Antike, dass Glaskugeln eine vergrößernde Wirkung hatten, und schon Archimedes beschäftigte sich mit der Lichtbündelung durch Hohlspiegel. Doch erst im 11. Jahrhundert unserer Zeit wurde der arabische Mathematiker Alhazen mit seinen Arbeiten zur Lichtbrechung mittels Sammellinsen und zur Funktionsweise des Auges zum Vordenker der Optik.
Italienische Mönche nutzten dieses Wissen im 13. Jahrhundert und schliffen konkave, also bauchige „Sehsteine“. Man hielt sie vor das Auge oder gebrauchte sie als Lupe. Bei Klerikern und Begüterten entwickelten sich diese Lesehilfen für Weit- und Alterssichtige schnell zum Renner. Ausgangsmaterial war oft das Silikatmineral Beryll – daher der deutsche Name „Brille“. Bald gab es erste, teils abenteuerliche Konstruktionen, um zwei Gläser stabil vor den Augen zu befestigen und die Hände frei zu halten, etwa die Stirnreifenbrille. Ein Meilenstein in Sachen gestochen scharfe Sicht gelang im 15. Jahrhundert: Mit konvex geschliffenen Streuungslinsen ließ sich fortan auch Kurzsichtigkeit korrigieren.
Dünner, leichter, genauer
Die Brille, die zunehmend erschwinglich wurde, sorgte nicht nur für unendlich mehr Lebensqualität. Mit ihrer Hilfe konnten immer mehr Menschen Berufe ausüben, in denen es auf ein genaues Auge ankommt – die Grundlage für die Entwicklung komplizierter Maschinen und den technischen Fortschritt.
Trotzdem gaben sich visionäre Tüftler mit der stetigen Verfeinerung von Korrektionsgläsern und Gestellen nicht zufrieden. Sie strebten danach, die Brechungseigenschaften des Auges direkt an der Hornhaut zu modifizieren. Leonardo da Vinci sinnierte 1508 über ein Eintauchen des Auges in ein wassergefülltes Glasgefäß – ein recht unhandlicher Ansatz. Erst um 1880 rückte eine Lösung näher. Leidensdruck mag den Mediziner August Müller dazu getrieben haben, über „Hornhautlinsen“ zu forschen – mit minus 14 Dioptrien war er extrem kurzsichtig. Seine zwei Zentimeter großen Glasschalen zeigten im Selbstversuch exzellente Ergebnisse; der sensible Augapfel tolerierte sie aber nur bei örtlicher Betäubung.
Die Vorläufer unserer modernen Kunststoffhaftschalen entstanden in den 1950ern: Die harten Linsen aus Plexiglas bedeckten nur noch die Hornhaut, schwammen auf dem Tränenfilm und wurden nach der Eingewöhnung kaum als störend empfunden. Im Jahrzehnt darauf begann schließlich die Herstellung von weichen Kontaktlinsen aus anderen Polymeren. Sie passen sich exakt der Form der Hornhaut an, was für guten Trage- und Haltekomfort sorgt. Dieser Typ ist mittlerweile am populärsten. Verbesserte Materialien stellen heute eine hohe Sauerstoffdurchlässigkeit für unser wichtigstes Sinnesorgan sicher und erlauben bei der richtigen Hygiene sogar mehrtägiges ununterbrochenes Tragen.
Ob die Wahl auf formstabile RGP-Dauerlinsen (rigid gas permeable) oder Disposables – also Tages-, Wochen- oder Monatslinsen – fällt, hängt neben medizinischen Aspekten allein von den Anforderungen ihrer Träger ab: Korrektur von Abbildungsfehlern des Auges oder rein kosmetisches Medium, etwa zur Intensivierung der Irisfarbe?
Die Geschichte der Kontaktlinse ist aber noch nicht auserzählt. Als smartes Produkt könnte sie medizinischen Mehrwert bieten, also beispielsweise anhand der Tränenflüssigkeit den Blutzucker messen. Wir werden sehen …
Unsichtbare Brille
Es gibt mehrere Verfahren für die Kontaktlinsenherstellung (Guss-, Dreh- oder Schneideprozesse). Grundlage für alle Linsen ist Kunststoff (Monomer), der durch Hitze oder UV-Licht zu Polymeren aushärtet. In einem weiteren Schritt erfolgt die Hydration der Produkte durch Zugabe von Salzlösung – sie werden dadurch weich und flexibel. Nach der Herstellung werden die gebrauchsfertigen Kontaktlinsen einzeln, sicher und steril in einem Blister verpackt, mit formgeschnittener Folie versiegelt und mit allen wichtigen Daten bedruckt.
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Fotos: shutterstock.com/Syda Productions