Als der Apotheker Dr. Karlheinz Seyfang vor knapp 20 Jahren die Abteilung Pharma Services bei Harro Höfliger ins Leben rief und die ersten Reinräume einrichtete, machte er das Unternehmen damit zum Vorreiter unter den Maschinenbauern. Seitdem ist dieser Bereich kontinuierlich gewachsen und heute fester Bestandteil der Serviceidee ALL YOU NEED. Beim Kauf von Maschinen und bei der Entwicklung von Prozessen gehört Risikominimierung zur höchsten Priorität. Mit dem Angebot der Division Process Services begleitet Harro Höfliger Kunden auf ihrem Weg von der ersten Idee bis zur Produktion. Die Erweiterung der Reinräume und das neue Labor waren unerlässliche Schritte, um dieses Angebot weiter auszubauen. Die Erweiterung ist Teil des kontinuierlichen Verbesserungsgedankens, der Harro Höfliger antreibt: Mehr Service für unsere Kunden, der bestmögliche Schutz für unsere Mitarbeiter und die Umwelt sowie die Chance, Maschinen stetig weiter zu optimieren.

Marcus Hild, Projektleiter Reinraumausbau
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ie Planung zum Ausbau unserer vier Reinräume begann vor drei Jahren. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass wir mit den vorhandenen Kapazitäten an unsere Grenzen stoßen. Ein Raum wird beispielsweise während des Factory Acceptance Tests (FAT) bis zu mehreren Wochen mit einer Maschine belegt. Zudem wünschen sich viele unserer Kunden, Versuche auszulagern, weil sie selbst nicht über die entsprechenden Räumlichkeiten verfügen.
Die Entscheidung für die Erweiterung war daher rasch gefällt. Wir haben jetzt insgesamt zehn Reinräume mit einer Gesamtfläche von mehr als 500 Quadratmetern und zusätzlich 60 Quadratmeter Laborfläche zur Verfügung. Der größte Raum misst rund 10 x 5 Meter. Drei der Reinräume sind als High-Potent-Bereich definiert. Eine zusätzliche Schleuse mit einer Luftdusche ermöglicht es, gefahrlos mit hochpotenten Wirkstoffen bis OEB 5 zu arbeiten. Vier der zehn Reinräume können mithilfe von Zusatztrocknern bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von zehn Prozent betrieben werden.
„Mit der Erweiterung der Reinraumkapazitäten können wir die hohen Ansprüche unserer Kunden auch künftig stemmen.“
Eine Ringleitung versorgt alle Reinräume mit vollentsalztem Wasser (VE). Die Luftfeuchte, der Luftstrom sowie die Temperatur lassen sich in jedem Raum bedarfsgerecht steuern. Die Messwerte werden auf einem Display angezeigt und für das Monitoring gespeichert. Zum Schutz der Umwelt filtern wir nicht nur die Abluft, sondern trennen auch das Abwasser: Kontaminiertes Wasser leiten wir zur Verbrennung durch einen Entsorger in einen speziellen Tank.
Ganz wichtig war uns aber auch der Schutz unserer Mitarbeiter und unserer Kunden: Die Luftdusche, absenkbare Türdichtungen und ein leichter Unterdruck in allen Räumen verhindern die Kontamination der Umgebungsbereiche bei der Verarbeitung von Wirkstoffen in den Reinräumen. Spezielle Luftabzugssysteme an den Laborarbeitsplätzen sorgen zudem für mehr Komfort bei der Arbeit.
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Trocken
10% r. H.
Zusätzliche Adsorptionstrockner sorgen in vier Räumen bei Bedarf für eine relative Luftfeuchtigkeit von 10 Prozent.
Rein
500 m
Jeder Reinraum wird über eine rund 500 Meter lange Ringleitung mit VE-Wasser (vollentsalztes Wasser) versorgt.
Sicher
20.000 m3
Luft pro Stunde. Alle Reinräume werden kontinuierlich mit Frischluft versorgt.

Dr. Elke Sternberger-Rützel, Leitung Pharma Services
Die meisten Mitarbeiter der Pharma Services kommen aus der pharmazeutischen Industrie. Wir kennen die umfangreichen regulatorischen Anforderungen unserer Kunden, sprechen ihre Sprache und verstehen, was sie brauchen. Das sind wichtige Voraussetzungen dafür, sich auf Augenhöhe auszutauschen. Schon jetzt profitieren unsere Kunden davon, dass wir täglich mit einem breiten Spektrum an Produkten und Formulierungen arbeiten. Aufgrund der Erfahrung jedes einzelnen Mitarbeiters haben wir einen Blick dafür, was funktioniert und was Probleme bereiten könnte.
Somit können wir dem Kunden konkrete Lösungen wie etwa ein bestimmtes Dosiersystem für sein Produkt vorschlagen, wobei wir immer einen möglichen Scale-up im Blick behalten. Der Dialog zwischen Pharma Services, Konstruktion und dem Kunden ist das Erfolgsrezept für optimal auf das Produkt abgestimmte Maschinen. Auf Basis der umfangreicheren Möglichkeiten, die uns die neuen Reinräume und die Laborfläche bieten, können wir in enger Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der Maschinenentwicklung Füllprozesse entwickeln und verifizieren.
„Wir sprechen die Sprache unserer Kunden und tauschen uns auf Augenhöhe miteinander aus.“
Zu einem ganz frühen Zeitpunkt stellen wir eine zuverlässig reproduzierbare Produktgüte über alle Scale-up-Schritte hinweg sicher und tragen damit von Zeit zu Zeit auch dazu bei, die Zulassung des Produktes mit dem Kunden zu beschleunigen. Mithilfe der Methodik des Design of Experiment (DoE) führen wir Versuche, beispielsweise mit unterschiedlichen Maschinengeschwindigkeiten und variablen Filtereinsätzen, durch und ermitteln ein Prozessfenster mit Parametern, die zuverlässig funktionieren.

Karin Marek, Laborleitung
Noch vor zwei Jahren haben wir uns auf rein physikalische Messmethoden beschränkt. Jetzt können wir eine wesentlich größere Bandbreite von Analysen durchführen. Mit den neuen Partikelmesssystemen lassen sich Feinstpartikel messen, die einen großen Einfluss darauf haben, wie sich ein Produkt später verarbeiten lässt.
Neu sind unsere Möglichkeiten im nasschemischen Bereich: Mithilfe von Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) können wir Gehaltsbestimmungen durchführen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang sich Wirkstoffpartikel an Maschinenoberflächen anreichern. Wir wollen damit sicherstellen, dass es beispielsweise bei Abfüllprozessen zu keinen unkontrollierten Wirkstoffverlusten kommt.
„Mit der Erweiterung des Labors hat sich die Art der Analytik komplett verändert.“
Mit der Messung der Gleichförmigkeit des Gehalts der Mischung prüfen wir, wie sich ein Produkt bei unterschiedlichen Herstellbedingungen verhält und ob diese Einfluss auf das Abfüllverhalten haben. Für den Bereich Inhalation haben wir jetzt einen New Generation Impactor (NGI), eine Art aerodynamisches Strömungsmodell der Lunge. Der NGI gibt uns die Möglichkeit, die Feinpartikelfraktion (FPF) und die Feinpartikeldosis (FPD) zu bestimmen. Diese Analysemöglichkeit gehört zu den komplexesten, die ich kenne.
Insgesamt können wir jetzt den Füllprozess viel besser kontrollieren und damit die CPP (Critical Process Parameter) und auch die CMA (Critical Material Attributes) und ähnlich relevante Informationen für unsere Kunden analysieren oder über unsere bereits umfangreiche Produktdatenbank direkt abfragen. All das bietet die besten Voraussetzungen dafür, unseren Konstrukteuren und Maschinenentwicklern fundierte Daten zur Verfügung zu stellen, die sie für die zielgerichtete, zügige und erfolgreiche Konzeption einer Anlage oder für die Verbesserungen bestehender benötigen. Jetzt macht Analytik richtig Spaß!

Michael Renz, Prozessingenieur Engineering & Innovation Services
Unsere Kunden haben meistens bestimmte Vorstellungen von der Art des Dosiersystems, mit welchem ihr Produkt zu verarbeiten beziehungsweise abzufüllen ist. Mithilfe der Analysen in unserem Labor können wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt feststellen, ob sich diese auch umsetzen lassen oder wir mit unseren gewonnenen Erkenntnissen Einfluss auf die Maschinenentwicklung nehmen müssen.
Aufgrund der regulatorischen Anforderungen in der Pharmaindustrie lassen sich nach der Zulassung eines Produkts nur sehr kostspielig und aufwändig Veränderungen an der Maschine oder am Produkt realisieren. Daher ist die frühe Gewissheit über die Funktionalität des Prozesses besonders wertvoll. Wir als Prozessverantwortliche arbeiten Hand in Hand mit unserem Laborteam und der Konstruktion, um spezifischen Anforderungen des Kundenprodukts gerecht zu werden. Für unsere interne Weiterentwicklung sind diese Erkenntnisse ebenso unverzichtbar.
„Die Erweiterung der Reinräume und der Analytik gibt uns ganz neue Möglichkeiten, Prozesse zu erkennen und zu verbessern.“
Unsere neuen Reinräume geben uns die einmalige Gelegenheit, die beim Kunden vorliegenden Produktbedingungen nachzubilden, dessen Probleme besser zu verstehen und Prozesslösungen dafür zu finden. Durch die Nachstellung der Realbedingungen kann ein aufwändiges Testprogramm zur Qualifizierung und Validierung neuer Maschinen reduziert und Tests für Parameter-Setups oder für Sonderlösungen zu Harro Höfliger verlagert werden, wofür der Kunde vorzugsweise seine wirkstoffhaltigen Originalformulierungen oder Placebo bereitstellt. Durch Schulungen und Produktionsunterstützung beim Kunden kann das teure, zeitaufwändige Einfahren der Maschine ebenfalls reduziert werden.
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Fotos: Helmar Lünig, shutterstock.com/Haywiremedia, Harro Höfliger, Andreas Dalferth, Jan Seidl