INNOVATION  

Einfa­cher impfen dank Micro­needle Patches

Micro­needle Patches haben das Poten­zial, Impf­kam­pa­gnen deut­lich zu verein­fa­chen. Auf der Suche nach einer bezahl- und skalier­baren Lösung ziehen das austra­li­sche Start-up VAXXAS und Harro Höfliger mit viel Enthu­si­asmus und Sach­ver­stand ins Feld.

Die junge Frau entnimmt der Verpa­ckung einen runden Behälter und plat­ziert ihn sorg­fältig am Oberarm ihres Kindes. Mit dem Daumen löst sie einen Impuls aus, der ein winziges Patch auf die Haut­ober­fläche kata­pul­tiert. Das Pflaster ist mit tausenden Nadeln versehen, die mit dem erfor­der­li­chen Impf­stoff beschichtet sind.

Nach den Vorstel­lungen der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion WHO und anderen NGOs (Non-Govern­mental Orga­ni­sa­tions) sowie privaten Gruppen sollen konven­tio­nelle Impf­kam­pa­gnen künftig durch die soge­nannten MAPs (Micro­needle Array Patches) ergänzt werden. Schluss mit Spritzen, die nur von quali­fi­ziertem Fach­per­sonal gegeben werden können. Schluss mit Flüs­sig­impf­stoffen, für die eine durch­ge­hende Kühl­kette erfor­der­lich ist.

Vor allem für Entwick­lungs­länder ist eine einfache Impfung per Micro­needle Patch eine viel­ver­spre­chende Alter­na­tive. Das austra­li­sche Start-up VAXXAS und Harro Höfliger arbeiten an der Umset­zung dieser Tech­no­logie, mit Blick sowohl auf die Kosten­aspekte als auch auf den Prozess des Scale-up.


Viele Wege führen zum Ziel

Mikro­na­deln sind für mehrere Märkte attraktiv: Zum einen für Impf­kam­pa­gnen in Entwick­lungs­län­dern, zum anderen aber auch für Hoch­preis­pro­dukte, wie beispiels­weise Mittel gegen Migräne. Bei der Entwick­lung der Mikro­nadel-Tech­no­logie verfolgen die diversen Entwick­lungs­teams und Forscher sowohl bei der Wahl des Mate­rials als auch bei der Form des Wirk­stoff­auf­trags bezie­hungs­weise der -abgabe unter­schied­liche Strategien.

Beschich­tete Mikronadeln

Die aus Metall oder Kunst­stoff herge­stellten Mikro­na­deln werden mit flüs­sigem Wirk­stoff versehen, der sich später in der Haut auflöst. Dazu werden sie entweder in Wirk­stoff­lö­sung getaucht oder bedruckt und anschlie­ßend getrocknet.

Selbst­auf­lö­sende Mikronadeln

Aus einem geeig­neten Polymer (PVP, PVOH) sowie dem zu verab­rei­chenden Wirk­stoff werden die Mikro­na­deln geformt. Bei der Herstel­lung mit einem Druck­ver­fahren sind die Nadeln bereits Bestand­teil des Träger­pflas­ters, in einem anderen Herstel­lungs­ver­fahren werden sie nach­träg­lich aufge­klebt. Nachdem die Nadeln in die Haut einge­drungen sind, lösen sie sich komplett auf, wobei sie den Wirk­stoff abgeben.

Hohle Mikro­na­deln

Hohle Mikro­na­deln (HM) sind für die Verab­rei­chung höherer Wirk­stoff­dosen vorge­sehen. In die Nadeln aus Edel­stahl werden dazu Kanäle gebohrt, beispiels­weise mit einem Laser. Die auf der Träger­folie in einem Reser­voir enthal­tene Wirk­stoff­lö­sung gelangt durch die Hohl­na­deln in die Haut.


Der Blick fürs Machbare

Das aus einem Spin-off des Austra­lian Insti­tute of Bioen­gi­nee­ring & Nano­tech­no­logy der Univer­sity of Queens­land entstan­dene Tech­no­lo­gie­un­ter­nehmen konzen­triert sich auf neuar­tige Tech­no­lo­gien zur Impf­stoff­ver­ab­rei­chung. Das von VAXXAS entwi­ckelte Nano­patch™ ist vorwie­gend für bekannte Impf­stoffe vorgesehen.

Schon in einem frühen Stadium wollte das inter­dis­zi­plinär aufge­stellte Forscher­team sicher­stellen, dass sich die Ideen und Prozesse von Labor­stu­dien zuver­lässig in eine groß­vo­lu­mige Seri­en­fer­ti­gung über­tragen lassen. Michael Junger, Head of Medical Device and Process Engi­nee­ring bei VAXXAS, erklärt: „Wir haben uns daher an Harro Höfliger gewandt und uns sehr gefreut, dass die Experten schnell dazu bereit waren, uns bei der Entwick­lung des Devices mit Blick auf ein späteres Skalieren des Produk­ti­ons­pro­zesses zu unterstützen.“

Für Stefan Bernsau, Director Needle Tech­no­logy bei Harro Höfliger, ist die Zusam­men­ar­beit eine klare Win-win-Situa­tion: „Ein wich­tiger Teil unserer Unter­neh­mens­phi­lo­so­phie ist die Beglei­tung unserer Kunden vom Labor bis zur Produk­tion. Daher unter­stützen wir häufig Start-ups mit unserem Know-how und unseren Ressourcen.“ Das Projekt mit VAXXAS verknüpft viele Tech­no­lo­gie­platt­formen von Harro Höfliger: die asep­ti­sche Montage, die Auto­ma­ti­sie­rung sowie die Befüll- bezie­hungs­weise Dosiertechnologie. 

„Eine groß­ar­tige Tech­no­logie, die das Impfen in Zukunft sehr verein­facht.“ Stefan Bernsau, Director Needle Tech­no­logy bei Harro Höfliger

Bernsau: „Das Gesamte ist eine äußerst anspruchs­volle Prozess­ent­wick­lung, da nach dem Beschichten und vor der Montage auch der Trock­nungs­pro­zess der unter­schied­li­chen Wirk­stoffe unter asep­ti­schen Bedin­gungen berück­sich­tigt werden muss.“ Mit der Thematik Micro­needle Patches beschäf­tigt sich Harro Höfliger schon länger und Stefan Bernsau nimmt hierzu regel­mäßig an Konfe­renzen teil, unter anderem bei der WHO. Er hat sich inzwi­schen ein welt­weites Netz­werk aufge­baut, um gemeinsam mit anderen Experten an prak­ti­ka­blen Lösungen für diese Zukunfts­tech­no­logie zu arbeiten.

Bernsau: „Das ist eine groß­ar­tige Tech­no­logie mit vielen Heraus­for­de­rungen, die das Impfen in Zukunft sehr verein­facht. Die konse­quente Heran­ge­hens­weise an neue Prozesse und Entwick­lungen unter Berück­sich­ti­gung asep­ti­scher Anfor­de­rungen gemeinsam mit VAXXAS entspricht genau der Philo­so­phie von Harro Höfliger.“

Gezielter schützen

Neueste Studien haben ergeben, dass die intrader­male Impfung Vorteile gegen­über der bisher übli­chen Verab­rei­chung des Impf­stoffs in die Unter­haut (Subkutis) oder in den Muskel haben kann. Anders als in der Unter­haut und dem Muskel, wo sich nur wenige Abwehr­zellen des Immun­system befinden, kommen in der oberen Haut­schicht (Dermis) Abwehr­zellen vom dendri­ti­schen Typ sehr häufig vor. Diese Zellen sind für die Einlei­tung der Immun­ab­wehr zuständig.

Wird der Impf­wirk­stoff hier verab­reicht, sorgen sie für eine stär­kere Immun­ant­wort und damit für einen verbes­serten Impf­schutz. Diesen Ansatz verfolgen auch Micro­needle Patches. VAXXAS verspricht sich davon die Möglich­keit, gerin­gere Dosen von Impf­stoffen gezielter zu verab­rei­chen und so ihre Wirk­sam­keit zu optimieren.

Das geht unter die Haut

Das Nano­patch™ von VAXXAS besteht aus einem Poly­mer­qua­drat, das einen Quadrat­zen­ti­meter groß und mit mehreren tausend ledig­lich 0,25 Milli­meter hohen nadel­för­migen Mikro­struk­turen bestückt ist. Diese sind mit Impf­stoff beschichtet und inji­zieren ihn direkt in die immun­zel­len­rei­chen Haut­schichten. Mithilfe des Appli­ka­tors lässt sich das Nano­patch™ auch von Laien ganz einfach anbringen. Das spezi­elle Design stellt dabei sicher, dass der Impf­stoff – unab­hängig von alters- und geschlechts­be­dingter Haut­be­schaf­fen­heit – konsis­tent verab­reicht wird. Eine Kühlung des Wirk­stoffes ist aufgrund seines festen Aggre­gat­zu­standes nicht erforderlich. 

„Die Nano­tech­no­logie wird in der sterilen Herstel­lung künftig die Norm sein.“ Mike Junger, Head of Medical Device and Process Engi­nee­ring bei VAXXAS

Mike Junger erzählt: „Unsere Unter­neh­mens­phi­lo­so­phie ist ‚Do it yourself‘. Ich vertraue auf die Fähig­keiten meiner Mitar­beiter. Sie verstehen unser Produkt, und sie haben die Werk­zeuge, um ihren Job besser zu erle­digen als jeder andere. Wir hatten deshalb nicht die Erwar­tung, dass Harro Höfliger alle Heraus­for­de­rungen allein löst. Uns war es wichtig, in enger Zusam­men­ar­beit mit den Maschi­nen­bau­spe­zia­listen mit viel Erfah­rung unsere Ideen so weiter­zu­ent­wi­ckeln, dass sie sich am Ende garan­tiert prak­tisch umsetzen lassen.“

Harte Tatsa­chen

Bei der Entwick­lung eines skalier­fä­higen Prozesses für die künf­tige Seri­en­pro­duk­tion des Devices baut VAXXAS auf das Know-how der Maschi­nen­bau­spe­zia­listen von Harro Höfliger.

VAXXAS hat sich den Beschich­tungs­pro­zess der Mikro­na­deln mit Impf­stoff paten­tieren lassen. Nun steht die anspruchs­volle Aufgabe an, eine Anlage zu konzi­pieren, auf der sich die VAXXAS-Tech­no­logie kosten­günstig und auto­ma­ti­siert in Groß­serie reali­sieren lässt. Die größten Heraus­for­de­rungen sind das hoch­prä­zise Beschichten der Nadeln mit Impf­stoff, der anschlie­ßende Trock­nungs­pro­zess sowie die Siege­lung – und das alles in asep­ti­scher Umge­bung. Bernsau: „Um eine ausrei­chende Menge von Wirk­stoff aufzu­bringen, müssen die Nadeln mehr­fach beschichtet werden. Dazu benö­tigen wir ein kontakt­loses hoch­prä­zises, auto­ma­ti­siertes und kame­ra­über­wachtes Dosier­system, das unter sterilen Bedin­gungen arbeitet.“

Noch gibt es einiges zu tun. Die Ideen­schmiede VAXXAS und die Spezia­listen von Harro Höfliger stehen daher in stän­diger Verbin­dung. Junger erklärt: „Wir sind der Ansicht, dass die Micro- und Nano­tech­no­logie in der sterilen Herstel­lung künftig die Norm sein wird. Aber davon müssen wir die Regu­lie­rungs­be­hörden und die Indus­trie über­zeugen, damit Vorgaben und Stan­dards ange­passt werden. Mit unserem Nano­patch™ leisten wir einen wich­tigen Beitrag dazu.“

Über VAXXAS

VAXXAS ist ein Tech­no­logie-Start-up-Unter­nehmen und basiert auf Forschung am Austra­lian Insti­tute of Bioen­gi­nee­ring & Nano­tech­no­logy der Univer­sity of Queens­land. Es beschäf­tigt sich mit der Verbes­se­rung der Wirk­sam­keit von Impf­stoffen durch die Verab­rei­chung in die Haut mithilfe des Nano­patch.

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Fotos: shutterstock.com/Cheers Group, Janine Kyofsky, Harro Höfliger