Kaum ein Thema steht so für Schnelligkeit wie die Digitalisierung. Die digitale Transformation soll helfen, Prozesse zu beschleunigen und effizienter zu machen – und das am besten sofort. Aber wie heißt es so schön: Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Simon Schnaitmann, Department Leader Digital Solutions beim Customer Service von Harro Höfliger, erklärt: „Der Wandel erfordert Planung und Geduld. Langfristig schaffen nur maßgeschneiderte, auf die Branche zugeschnittene Lösungen einen messbaren Mehrwert. Die Idee einer zentralen Plattform, die Kunden genau das bietet, ist daher der richtige Weg.“
Gebündeltes Expertenwissen
Entwickelt wurde die Softwareplattform Pexcite von dem Excellence United Partner Uhlmann Pac-Systeme. Die offene Plattform ermöglicht die einfache Integration unabhängiger und branchenübergreifender Lösungen und die umfassende Konnektivität verschiedener Maschinen, unabhängig vom Hersteller. So sorgt sie für sichere Produktionsprozesse.
Hinter dem offenen System steckt die Idee, eine Vielzahl smarter Lösungen von Maschinenbauern, Zulieferern, Pharmazeuten und anderen Prozessbeteiligten zu bündeln. Benutzer profitieren so einerseits von Know-how-getragenen digitalen Lösungen branchenaffiner Partner und andererseits vom Komfort und der Einfachheit einer einheitlichen Benutzeroberfläche.
Tobias Miunske, Account Manager Digital Solutions bei Harro Höfliger, erklärt das System am eigenen Beispiel: „Als Maschinenbauer kennen wir unsere Maschinen am besten, genau wie die spezifischen Anforderungen und Wünsche unserer Kunden. Mit diesem Wissen und unserer Erfahrung im Pharmaumfeld haben wir zwei Anwendungen entwickelt, die jetzt Bestandteil der Pexcite-Plattform sind.“
Viele Produktvarianten? Kein Problem!
Eine Lösung, die die Software-Spezialisten von Harro Höfliger ausgetüftelt haben, ist der Production Order Manager. Fabian Elsässer, Director Engineering and Technical Services bei Harro Höfliger, erläutert: „Bei hoher Produktvarianz auf einer Maschine ist es erforderlich, für jeden neuen Produktionsauftrag die entsprechenden Informationen per Hand an der Maschine einzustellen. Das ist fehleranfällig, und Fehler bei der Produktion kommen unsere Kunden teuer zu stehen. Mit digitalen Tools und Schnittstellen versuchen wir, den Bedienereinfluss zu reduzieren, wo es möglich ist. Mit dem Production Order Manager ist uns das gelungen.“
Die Applikation ermöglicht die zentrale Planung von Produktionsaufträgen. Die manuelle Weitergabe und Eingabe von Informationen über die HMI entfällt, die Verwendung der richtigen Materialien wird sichergestellt. Der Maschinenbediener kann flexibel Vorlagen mit hinterlegten Produktparametern erstellen und sie auf digitalem Weg direkt zur Maschine übertragen. Einmal hinterlegte Aufträge sind jederzeit reproduzierbar. Das System erkennt dabei Eingabefehler, was die Produktionssicherheit zusätzlich erhöht. Der Bediener hat zudem alle notwendigen Informationen im Blick, die er zur Vorbereitung und Durchführung der Produktion benötigt.
„Fehler bei der Produktion kommen unsere Kunden teuer zu stehen. Mit dem Production Order Manager reduzieren wir den Bedienereinfluss, wo es geht.“Fabian Elsässer, Director Engineering and Technical Services bei Harro Höfliger
Wartung lernen
Die zweite Lösung von Harro Höfliger, die zum Start von Pexcite veröffentlicht wurde, ist der Maintenance Manager. Die Applikation unterstützt die Planung, Durchführung, Archivierung und Optimierung von Wartungen und hilft so, Maschinenstillstände zu vermeiden. Luise Räuchle, Product Manager für die digitalen Lösungen bei Harro Höfliger, erklärt: „Bisher übergeben wir Wartungspläne für unsere Maschinen noch auf Papier, aber das soll sich ändern. Im Maintenance Manager sind sie digital hinterlegt und lassen sich ganz einfach verwalten.“
Anstehende Wartungen und die dafür notwendigen Informationen werden automatisch angezeigt. Das Wartungspersonal kann ortsunabhängig von verschiedenen Endgeräten aus auf Erläuterungen, Fotos und andere Informationen zu den notwendigen Wartungsschritten zugreifen.
Räuchle: „Ein weiterer Vorteil der Applikation ist, dass neue Informationen und Erkenntnisse jederzeit ergänzt werden können. Der Bediener kann beispielsweise Wartungsintervalle erfahrungsbasiert anpassen und so für die Zukunft sicherstellen, dass ein Wartungsschritt nur dann durchgeführt wird, wenn er tatsächlich notwendig ist. Der Maintenance Manager speichert diese Information und lernt anhand der historischen und aktuell verfügbaren Daten. Damit ist ein wichtiger Schritt von der präventiven hin zur prädiktiven Instandhaltung von Maschinen getan.“
Umdenken und agiler handeln
Um Produkte wie den Maintenance Manager und den Production Order Manager überhaupt entwickeln zu können, wurde die Softwareentwicklung bei Harro Höfliger komplett umstrukturiert. Fabian Elsässer erklärt: „Digitalisierung erfordert Agilität bei der Entwicklung von Lösungen. Klassisches Projekt- und Anforderungsmanagement kostet zu viel Zeit. Die Entwicklungen kommen häufig zu spät oder gehen an den sich ständig verändernden Marktanforderungen vorbei. Wir arbeiten daher seit 2019 mit drei Scrum-Teams, die schnell, flexibel und kundenorientiert agieren können. Durch das Einbinden unserer Kunden erhalten wir direktes Feedback in der Produktentwicklung.“
Was ist Scrum?
Scrum ist eine agile Methode für die Softwareentwicklung und das Projektmanagement. Eine klare Rollenverteilung, feste Zuständigkeiten und Events innerhalb eines Softwareprojekts sollen eine konstante Wertsteigerung der Produkte sicherstellen. Im Mittelpunkt von Scrum steht das Team, das sich selbst organisiert. Es ist interdisziplinär zusammengesetzt, sodass alle für die Umsetzung einer Produktidee relevanten Kompetenzen zusammenkommen.
Der Scrum-Master sorgt für die reibungslose Organisation des Entwicklungsprozesses und beseitigt eventuelle Hindernisse. Der Produktverantwortliche, der sogenannte Product Owner, sammelt, definiert und priorisiert Anforderungen von Kunden, dem Markt und dem Vertrieb.
„Der Maintenance Manager lernt anhand der historischen und aktuell verfügbaren Daten. Damit ist der erste Schritt hin zur prädiktiven Instandhaltung getan.“Luise Räuchle, Product Manager Digital Solutions bei Harro Höfliger
Bei Harro Höfliger übernimmt derzeit Luise Räuchle diese Aufgabe, sie erklärt: „Ich stelle dem Entwicklerteam die Idee für ein neues Produkt vor und erkläre, welchen Mehrwert es den Kunden bringen soll. Auf sogenannten Story-Cards werden die Idee sowie Elemente, Merkmale und Funktionen des Produkts festgehalten.“ Daraus entsteht das sogenannte Product Backlog. Dabei handelt es sich um eine Sammlung sämtlicher Anforderungen, Funktionen und Merkmale, die das Produkt aus Sicht des Anwenders haben soll.
Auf die Plätze, fertig, los
Tobias Miunske erklärt weiter: „Die Mitglieder des Entwicklerteams arbeiten dann in Zwei-Wochen-Entwicklungszyklen, den sogenannten Sprints. In täglichen 15-minütigen Treffen besprechen die Teammitglieder mit dem Scrum-Master, was sie erreicht haben, wo es Probleme gibt und wie sie beseitigt werden können.“
Am Ende jedes Sprints steht ein verkaufsfertiges Teil-Produkt, das das Team dem Product Owner im Sprint Review Meeting vorstellt. Luise Räuchle: „Wenn das Ergebnis den Anforderungen entspricht, aktualisieren wir die Einträge im Product Backlog oder passen sie an – etwa wenn sich die Kundenanforderung zwischenzeitlich geändert hat oder eine neue Priorisierung erforderlich ist. Dann kann der nächste Sprint starten.“
Simon Schnaitmann, Department Leader Digital Solutions bei Harro Höfliger, fasst zusammen: „Wesentlich bei Scrum ist, dass die komplette Entwicklungsarbeit eines Projekts wertschöpfend sein muss. Alles Überflüssige wird weggelassen. Und das entspricht auch unserer Vorstellung von zielgerichteter Digitalisierung. Mit Pexcite, unseren dazu bereits verfügbaren Lösungen und vielen weiteren, die noch folgen werden, gehen wir diesen Weg konsequent.“
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Fotos: Janine Kyofsky, Illustration: Bernd Schifferdecker