Seit dem erfolgreichen Einsatz von mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 sind biotechnologische Arzneimittel auch dem Laien ein Begriff. Die Pharmaindustrie setzt im Kampf gegen Krankheiten schon seit Jahren vermehrt auf die hochwirksamen und patientenspezifischen Therapieansätze.
Seit 2012 haben EMA (European Medicines Agency; deutsch: Europäische Arzneimittel-Agentur) und die US-Behörde FDA (Food and Drug Administration) mehrere Gentherapeutika zugelassen, mit denen genetische Defekte bereinigt werden, um Krankheiten zu heilen. In den nächsten drei Jahren erwartet die FDA rund 800 Neuzulassungen. Die sensiblen Produkte, oft sogar lebende Zellen, werden in der Regel intravenös verabreicht und sind im Handling höchst anspruchsvoll: Sie erfordern nicht nur eine durchweg sterile Produktion, sondern zwingend auch eine aseptische Abfüllung in Beutel, Spritzen oder Vials.
„Unser Leitspruch ‚Das Produkt bestimmt den Prozess‘ trifft hier voll ins Schwarze. Für die Entwicklung aseptischer Produktionsprozesse bringen wir unser ganzes Know-how ein.“ Christian Kollecker, Director Aseptic Technologies bei Harro Höfliger
Den Herausforderungen des Brückenschlags zwischen flexiblen Primärverpackungen und den anspruchsvollen Produktionsanforderungen der aseptischen Beutelabfüllung stellt sich Harro Höfliger schon seit Jahren. Christian Kollecker, Sales Director Aseptic Technologies bei Harro Höfliger, erklärt: „Unser Leitspruch ‚Das Produkt bestimmt den Prozess‘ trifft hier voll ins Schwarze. Für die Entwicklung aseptischer Produktionsprozesse bringen wir unser ganzes Know-how ein. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir eine komplett neue Maschinenplattform, um unseren Kunden einzigartige und individuell konfigurierbare Lösungen zu bieten.“
Neuland? Nur teilweise!
Bei der Konstruktion aseptischer Anlagen können die Prozess- und Maschinenentwickler von Harro Höfliger bei vielen Themen auf ihr Know-how und ihre Erfahrung zurückgreifen.
Julian Grossmann, Sales Manager Aseptic Technologies bei Harro Höfliger, erklärt: „Wir bauen schon jetzt ausschließlich Sondermaschinen. Jede Maschine unterscheidet sich von Projekt zu Projekt, wenn auch manchmal nur geringfügig. Im aseptischen Bereich ist das noch ausgeprägter. Standards zu etablieren ist fast unmöglich. Dabei ist unser bewährter Ansatz unverzichtbar, in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden eine individuell auf seine Anforderungen ausgelegte, ganzheitliche Lösung zu entwickeln.“
Im Grundsatz unterscheiden sich die Prozesse bei der Entwicklung einer aseptischen Maschine also nicht von denen, die bei Harro Höfliger ohnehin etabliert sind. Zusätzlich gilt es in diesem Produktbereich sicherzustellen, dass das sterile Produkt – also der Wirkstoff und beispielsweise der Beutel, in den er abgefüllt wird – über den gesamten Abfüllprozess hinweg steril bleiben.
Christian Kollecker zählt nur einige Beispiele auf, die Entwickler im Blick behalten müssen: „Alle vorsterilisierten Komponenten müssen sich von außen, also dem ‚schmutzigen‘ Bereich, so zuführen lassen, dass sie innerhalb der Anlage steril bleiben. Zusätzlich gilt es festzulegen, welche Reinigungs- und Dekontaminierungsprozeduren notwendig sind, um die Sterilität während des gesamten Prozesses zu garantieren. Die Dekontaminierungsmedien erfordern außerdem eine Anpassung des Maschinendesigns. Sie sind meist flüssig oder gasförmig und würden bei nach unten offenen Kanten bereits nach einem Reinigungszyklus zu Korrosion führen. Selbstredend darf der Maschinenbediener nur über spezielle Handschuhsysteme in die Maschine greifen.“
Volltreffer durch Know-how
Den Beweis, dass diese Anforderungen zu stemmen sind, lieferte Harro Höfliger schon 2018. Für ein auf veterinärmedizinische Produkte spezialisiertes Biotech-Unternehmen aus Hongkong entwickelte Harro Höfliger eine aseptische Abfüll- und Verschließanlage für vorsterilisierte IV-Beutel. Zur Abfüllung der hochempfindlichen Biowirkstoffe waren komplett sterile Prozesse notwendig.
Neben einer aktiven open-RABS-Barrieretechnik (Restricted Access Barrier System) kam bei dieser Anlage auch erstmals das „One time docking“-Prinzip zum Einsatz. Dabei werden die IV-Beutel mittels eines aseptischen Dreifach-Füllkopfs befüllt. Die Verbindung zur Füllnadel bleibt während aller Spül-, Entleer- und Füllprozesse bis zum Transfer aus der Maschine bestehen. Das minimiert das Risiko für Partikeleintrag und hält den Restsauerstoffgehalt im Beutel niedrig.
Ein integriertes laserbasiertes Wilco HSA-Modul (Head Space Analysis) misst inline den Sauerstoffgehalt. Eine hochgenaue, sensorüberwachte Massendurchflussmessung nach dem Coriolis-Prinzip stellt während der Flüssigbefüllung sicher, dass jeder Infusionsbeutel die exakt richtige Füllmenge enthält.
Alle Füllmedien werden über eine aseptische Drehdurchführung keimfrei zugeführt. Das Versiegeln der Öffnung erfolgt mittels Hochfrequenztechnik, um den Hitzeeintrag auf die Wirkstoffe zu minimieren. Ein integriertes CIP/SIP-System (Cleaning in Place/Sterilization in Place) sorgt für die hygienisch einwandfreie Reinigung nach jeder Charge.
Christian Kollecker fasst zusammen: „Bei diesem Projekt haben wir vieles von dem umgesetzt, was für einige unserer Kunden aufgrund strengerer Regularien bald Standard sein dürfte. Und es hat uns gezeigt, worauf es bei aseptischen Maschinen ankommt: auf schnelle Prozessdurchlaufzeiten und eine hohe Prozesssicherheit durch die Integration prozessanalytischer Technologien, wo immer dies möglich und notwendig ist.“
Sicher befüllt
Ein Hauptaugenmerk richten die Spezialisten bei Harro Höfliger auf die Befüllung vorsterilisierter Beutel. Denn, so erklärt Kollecker: „Natürlich können wir auch Spritzen und Vials befüllen, aber die großen, langkettigen Moleküle der Biotech-Produkte bilden häufig hochviskose Lösungen, die zu größeren Volumina verdünnt werden müssen. Da bieten Infusionsbeutel klare Vorteile.“
Gerade bei der Befüllung vorsterilisierter Beutel haben die Abfüllspezialisten von Harro Höfliger einen reichen Erfahrungsschatz. Hier steckt aber ebenfalls der Teufel im Detail, weiß Grossmann: „Beim Umgang mit den neuen Stoffen betreten auch wir Neuland. Ob lebende Zellen oder sogenannte lyophilisierte Pulver, die wie Zuckerwatte daherkommen – für jeden Stoff müssen wir die richtige Abfüllmethode entwickeln.“
Damit Kunden trotzdem schnell zu guten Lösungen kommen, setzt Harro Höfliger auf Flexibilität durch Modularität. Kollecker erklärt: „Wir entwickeln vorkonfektionierte Module, die sich schnell in flexibel konfigurierbare Maschinenplattformen integrieren lassen. Das geht weg vom klassischen Maschinenbau und bringt uns als Systemanbieter noch näher an unsere Kunden.“
„Beim Umgang mit den neuen Stoffen betreten auch wir Neuland. Ob lebende Zellen oder lyophilisierte Pulver – für jeden Stoff müssen wir die richtige Abfüllmethode entwickeln.“ Julian Grossmann, Sales Manager Aseptic Technologies bei Harro Höfliger
Egal ob in Beuteln, Spritzen oder Vials: Aseptisch produzierte und abgefüllte Wirkstoffe sind die Zukunft. Und dafür sieht sich Harro Höfliger gut gewappnet. Christian Kollecker ist sich sicher: „Wir haben den Blick für das große Ganze und sind in der Lage, einen Kundenprozess komplett mit Harro-Höfliger-Technologie abzubilden. Unsere Kunden erhalten von uns auch im aseptischen Bereich ein vollintegriertes System für ihre jeweilige Anforderung – und das von der Labormaschine bis hin zur Serienanlage.“
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Fotos: Janine Kyofsky, Illustration: Bernd Schifferdecker