Jeder menschliche Körper ist die Heimat von vielen Billionen Mikroorganismen, wie Pilzen, Viren und Bakterien. Gemeinsam bilden diese das sogenannte Mikrobiom, das so individuell wie ein Fingerabdruck ist. Doch bei aller Einzigartigkeit gleicht sich jedes Mikrobiom in einem Punkt: Es spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit. Zum Beispiel unterstützen unsere Darmbakterien die Verdauung und schützen vor Krankheitserregern. Entsprechend groß ist das Problem, wenn dieses empfindliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann zu vielfältigen Gesundheitsproblemen wie Verdauungsstörungen und Entzündungen führen.
„Live Biotherapeutic Products haben Potenzial für die Behandlung vielfältiger Krankheiten.“Michael Philbrook,
Senior Director of Formulations bei Seres Therapeutics
Medikamente mit Mikroorganismen
Live Biotherapeutic Products, kurz LBPs, enthalten lebende Mikroorganismen wie beispielsweise Bakterien. Sie zielen darauf ab, wieder ein Gleichgewicht im Mikrobiom herzustellen. Das US-amerikanische Biotech-Unternehmen Seres Therapeutics hat sich auf solche Mikrobiom-Therapien spezialisiert. Sein neues Medikament VOWST™ wird zur Behandlung von wiederkehrenden Clostridium-difficile-Infektionen eingesetzt, die zu schweren Magen-Darm-Symptomen führen können.
Michael Philbrook, Senior Director im Bereich Formulations bei Seres Therapeutics, erklärt: „Die Krankheit kann nach der Einnahme bestimmter Antibiotika auftreten. Diese bekämpfen zwar schädliche Bakterien, beeinträchtigen aber auch nützliche. In einem so gestörten Mikrobiom kann sich das Bakterium C. difficile vermehren und Toxine produzieren. Das führt dann zu einer schweren Entzündung des Dickdarms und starkem Durchfall.“ Antibiotika sind notwendig, um die C. difficile-Bakterien abzutöten. Sie lösen aber nicht das Problem des gestörten Mikrobioms.
Für solche wiederauftretenden Formen der Infektion hat Seres Therapeutics VOWST™ entwickelt: Eine Kapsel, die eine Mischung aus verschiedenen Stämmen lebender Bakterien enthält. Diese produzieren Substanzen, welche den Kreislauf der wiederkehrenden Infektion unterbrechen.
Kniffliges Kapselbefüllen
Das Verfahren zur Herstellung des vielversprechenden Medikaments ist anspruchsvoll. Michael Philbrook: „Die Bakterien stammen aus der Stuhlprobe eines gesunden Spenders. Um potenzielle Krankheitserreger zu entfernen, wird diese Probe gereinigt und in eine bestimmte Konzentration gebracht. So entsteht eine stabile Suspension mit bakteriellen Sporen, die dann in Kapseln gefüllt wird.“ Danach erfolgt das Über-Verkapseln mit einer etwas größeren Kapsel. Partner dafür ist Harro Höfliger. „Basis war unsere bewährte Kapselmaschine Modu-C LS Containment“, sagt Daniel Müller, Sales Director Capsule Technologies. Diese verfügt über ein sogenanntes Trolley-System. Heißt: Die Dosiersysteme sind auf fahrbaren Wagen montiert und dadurch austauschbar. Das ermöglicht, beide Prozesse auf einer Maschine zu fahren.
In vier Schritten zum perfekten Produkt
Zwei Neue entwicklungen
Die erste Dosierstation ist für das Abfüllen der Flüssigkeit in die kleinere Kapsel bestimmt. Daniel Müller: „Wir haben für diesen Fall ein Liquid-Dosiersystem entwickelt, das mit extrem geringer Restmenge auskommt – so wird nichts von dem wertvollen Produkt verschwendet.“ Anschließend prüfen Spezialisten jede Kapsel außerhalb der Maschine, bevor das Über-Verkapseln erfolgt.
Dafür kommt nun der zweite Dosiertrolley zum Einsatz. „Auch dieser ist eine kundenspezifische Entwicklung und eine absolute Neuheit auf dem Markt“, so der Experte. „Bisher war es so: Wenn eine Kapsel in eine andere gefüllt wird, musste letztere immer zwei Nummern größer sein, wie bei den Varianten 1 und 00. Diesen Puffer gab es hier aber nicht, denn wir füllen eine 0-Kapsel in die nächstgrößere Einheit 00. In engem Austausch mit den Spezialisten von Seres haben unsere Ingenieure dafür eine perfekte Lösung entwickelt.“
Hightech-Reinigung
Der Umgang mit lebenden Organismen erfordert besondere Schutzmaßnahmen. Daniel Müller erklärt die Hintergründe: „Wenn auch nur die geringste Menge Bakterien nach einer Charge zurückbleibt, könnten diese die nächste verunreinigen. Zu den Maßnahmen, die das verhindern, zählt zum Beispiel eine VHP-Reinigung mit verdampftem Wasserstoffperoxid. Während dieses Bedampfens kann man die Maschine mit offenen Türen langsam laufen lassen – so stellen wir sicher, dass das Gas auch den letzten Winkel erreicht. Aus Sicherheitsgründen ist zusätzlich ein Scanner integriert, der den Bereich vor der Maschine kontrolliert. Würde sich dort ein Mensch aufhalten, stoppt sie sofort.“
„In enger Zusammenarbeit mit Seres haben wir zwei Dosiersysteme neu entwickelt.“Daniel Müller,
Sales Director Capsule Technologies bei Harro Höfliger
„Die Anlage ist in jeder Hinsicht maßgeschneidert und passt genau zu den außergewöhnlichen Anforderungen dieses Produkts“, fasst Daniel Müller zusammen. „Zu diesem guten Ergebnis hat nicht nur der enge, partnerschaftliche Austausch mit Seres Therapeutics beigetragen. Sondern auch die Motivation, neue Technologien für diesen spannenden Bereich zu erarbeiten.“
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Fotos: Helmar Lünig