KNOW-HOW  

Gut vernäht!

Entlang der Geschichte der Chir­urgie verläuft die Entwick­lung der Wund­naht. Ihre mehrere tausend Jahre alte Historie ist umrankt von unter­schied­li­chen Mitteln und Methoden des Wundverschlusses.

Verschie­dene Vorläufer der modernen Wund­naht entwi­ckelten sich bereits sehr früh. Erste Hinweise auf chir­ur­gi­sche Naht­me­thoden wurden von Forschern in 5.000 Jahre alten ägyp­ti­schen Schriften entdeckt, die unter anderem die Abbil­dung einer Öhrnadel zeigen. Gängige Naht­ma­te­ria­lien der frühen Zeit waren unter anderem Pflan­zen­fa­sern und Sehnen. Später wurden häufig auch Texti­lien, etwa Leinen, verwendet. Ein­deutige Spuren textiler Naht­mittel konnten an einer auf zirka 1000 vor Christus datierten Mumie nach­ge­wiesen werden.

Wund­in­fek­tionen waren jedoch häufig die Folge der unsau­beren, keim­hal­tigen Instru­mente und verwen­deten Mate­ria­lien. Dies änderte sich erst, als der engli­sche Chirurg Joseph Baron Lister und sein deut­scher Kollege Curt Theodor Schim­mel­busch Ende des 19. Jahr­hun­derts unab­hängig vonein­ander die ersten brauch­baren Desin­fek­tions- und Steri­li­sa­ti­ons­ver­fahren zur Anwen­dung brachten. So verwen­dete Lister ab 1868 Darm­saiten als Naht­ma­te­rial und des­infizierte diese mit Karbol­säure – die ­Entste­hung des ersten Catguts. Vorteil des aus Schafs- oder Rinder­darm gewon­nenen Mate­rials: Es löste sich allmäh­lich und rück­standslos in der Wunde auf und konnte vom Körper resor­biert werden. Mit der BSE-Krise Anfang der 2000er-Jahre ging die Verwen­dung von Catgut zugunsten synthe­ti­scher Mate­ria­lien rapide zurück.

Moderne Naht­ma­te­ria­lien

Ist die Steri­lität heut­zu­tage selbst­ver­ständ­liche Grund­vor­aus­set­zung, werden an moderne Naht­ma­te­ria­lien ganz andere und viel­sei­tige Anfor­de­rungen gestellt. Neben einer hohen Gleit­fä­hig­keit des Fadens beim Durchzug durch das zu operie­rende Gewebe zählen eine hohe Reiß­kraft und ein sicherer Knoten­sitz zu den ausschlag­ge­benden Kriterien.

So umfang­reich die Anfor­de­rungen an den Faden sind, so vari­an­ten­reich ist der Faden selbst. Synthe­ti­sche oder natür­liche Mate­ria­lien werden zu mono­filen (einfas­rigen) oder multi­filen (mehr­fas­rigen) Faden­va­ria­tionen gezwirnt oder geflochten. Weitere Optionen sind die Umman­te­lung oder Beschich­tung der vom Körper resor­bier­baren oder nicht resor­bier­baren Fäden.

Auch die Ausfüh­rungen und Formen moderner chir­ur­gi­scher Nähna­deln sind äußerst komplex und viel­seitig. Um sicher­zu­stellen, dass Gewe­be­be­schä­di­gungen bei der Opera­tion möglichst gering ausfallen, werden Nadel und Faden armiert, also fest mitein­ander verbunden, anstatt ein dickes Nadelöhr durch das Gewebe zu ziehen. Jede Nadel-Faden-­Kom­bi­na­tion birgt spezi­elle Beson­der­heiten, die der Opera­teur je nach Wunde und Opera­ti­ons­technik bei der Wahl zu beachten hat.

Anspruchs­volle Herstellung

Bei der Herstel­lung des chir­ur­gi­schen Naht­ma­te­rials gilt es einige Heraus­for­de­rungen zu meis­tern. Nachdem die Nadel-­Faden-Verbin­dung armiert wurde, wird die Nadel im soge­nannten Nadel­park des Faden­trä­gers, dem Tray, fixiert. Mit bis zu 800 Umdre­hungen pro Minute wird der Faden dann in das Tray gewi­ckelt, welches anschlie­ßend mit einem Papier-Lid ultra­schall­verschweißt wird. Das Lid dient einer­seits als Infor­ma­ti­ons­fläche zum Batch und zu den Spezifika­tionen der ­Nadel-Faden-Kombi­na­tion, zum anderen als Trocken­mittel, um eine gleich­blei­bende Qualität des Naht­ma­te­rials zu gewährleisten.

Während des Wickel­pro­zesses ist es beson­ders wichtig, den Faden unter Kontrolle zu halten sowie darauf zu achten, dass das Faden­ende nicht außer­halb des Trays endet. Diverse Kameras unter­stützen bei der Einhal­tung der hohen Qualitätsanforderung.

Keim­freie Verpackung

Für die Verpa­ckung des chir­ur­gi­schen Naht­ma­te­rials wird das Tray in die geformte Kavität eines Alub­lis­ters gelegt. Die darauf aufge­brachte Deck­folie verfügt über ein reiß­festes, durch­stoß­si­cheres und atmungs­ak­tives Tyvek­fenster, welches eine Steri­li­sa­tion durch Bega­sung mit Ethy­len­oxid ermög­licht. Während der Trock­nung des begasten Blis­ters entweicht die Feuch­tig­keit durch das Tyvek­fenster, das anschlie­ßend entfernt wird. Abschlie­ßend wird der Blister mit dem darin befind­li­chen Naht­ma­te­rial komplett dicht verschweißt.

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Fotos: Helmar Lünig