INNOVATION  

TFF-Tech­no­logie für Lungenmedikamente

Inha­lier­bare Arzneien sind bei Lungen­er­kran­kungen unver­zichtbar. Aber nicht jeder Wirk­stoff lässt sich zu einem lungen­gän­gigen Medi­ka­ment verar­beiten. Eine neuar­tige Dünn­schicht-Gefrier­tech­no­logie (TFF) kann jetzt auch wider­spens­tige Substanzen bändigen. Die Unter­nehmen TFF Phar­maceu­ti­cals und Experic arbeiten gemeinsam an Formu­lie­rungen und Verfahren für die Kapselabfüllung.

Wer jemals versucht hat, den Inhalt eines Koch­topfs in die kleine Öffnung einer Flasche zu füllen, hat ein unge­fähres Bild von der Effi­zienz bei der oralen Verab­rei­chung vieler Lungen­me­di­ka­mente. Häufig errei­chen nur rund zehn Prozent der wirk­samen Substanzen ihr Ziel. Grund dafür ist oft die mangelnde Wasser­lös­lich­keit der Arzneien. Sie erschwert die Wirk­stoff­auf­nahme im Körper und redu­ziert damit die Wirk­sam­keit. Weitaus effi­zi­enter und ziel­ge­rich­teter funk­tio­niere die Verab­rei­chung über Trocken­pulver-­Inha­la­toren, erklärt John Koleng, Vice Presi­dent of Product Deve­lo­p­ment and Manu­fac­tu­ring bei TFF Phar­maceu­ti­cals: „Der Patient holt einmal tief Luft und die in die Pulver­for­mu­lie­rung einge­bet­teten winzigen Wirk­stoff­par­tikel errei­chen ohne große Reibungs­ver­luste direkt die tiefen Lungen­be­reiche. Das funk­tio­niert aller­dings nur mit sehr feinen Pulvern, deren aero­dy­na­misch geformte Partikel kleiner als rund fünf Mikro­meter sind. Viele hoch­wirk­same Substanzen schließt das von vorn­herein aus.“ Forschenden der Univer­sität Austin, Texas, ist es gelungen, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Sie entwi­ckelten eine spezi­elle Tech­no­logie, mit der sich ein grobes in ein feines und damit lungen­gän­giges Pulver umwan­deln lässt. Die Lizenz für die paten­tierte Thin-Film-Free­zing-Tech­no­logie hat sich TTF Phar­maceu­ti­cals gesichert.

„Mit TFF-Tech­no­logie lässt sich ein grobes in ein feines, lungen­gän­giges Pulver umwan­deln.“John J. Koleng, Ph.D., R.Ph.
Vice Presi­dent of Product Deve­lo­p­ment and Manufacturing 
bei TFF Pharmaceuticals

Eiskalt pulve­ri­siert

„Das Thin-Film-Free­zing ist eine Tech­no­logie, um Parti­kel­größen und -eigen­schaften ziel­ge­richtet herzu­stellen“, erklärt Koleng. „Wir lösen das Arznei­mittel in einem Lösungs­mittel auf und tropfen die Flüs­sig­keit anschlie­ßend auf eine mit flüs­sigem Stick­stoff gekühlte Stahl­trommel, wo sie schock­ge­friert. Dieses gefro­rene Produkt wird anschlie­ßend gefrier­ge­trocknet, um das Lösungs­mittel zu entfernen. So entsteht das TFF-Pulver.“ Das vorher grob­kör­nige Pulver­ma­te­rial hat sich am Ende dieses Prozesses in spröde Matrix­par­tikel verwan­delt. Sie sind hoch­porös, besitzen eine große Ober­fläche und eine geringe Dichte. Nach der Aufbe­rei­tung entsteht daraus ein feines Pulver. Mit einem Trocken­pulver-Inha­lator lassen sich so bis zu 75 Prozent des Wirk­stoffs einer Arznei in die tiefen Lungen­be­reiche trans­por­tieren, wo er wirken soll.

Seit Anfang 2019 bietet das US-Unter­nehmen Experic Dienst­leis­tungen für die Herstel­lung, Verpa­ckung, Etiket­tie­rung und globale Logistik von klini­schen Prüf­mus­tern und maßge­schnei­derten Sonder­an­fer­ti­gungen für zuge­las­sene Arznei­mittel an. Experic richtet sich vor allem an kleine, mitt­lere und spezia­li­sierte Pharmakunden.

Gemeinsam Poten­ziale heben

Um die so entstan­denen Pulver und ihre Abfül­lung in Kapseln für den Einsatz in Trocken­pulver-Inha­la­toren bewerten zu können, arbeitet TFF Phar­maceu­ti­cals eng mit Harro Höfliger und dessen Partner Experic zusammen. Dieses US-Unter­nehmen produ­ziert und verpackt Prüf­muster für klini­sche Studien, haupt­säch­lich für kleine, mitt­lere und spezia­li­sierte Phar­ma­kunden. Justin Lacombe, Chief Scien­tific Officer bei Experic, erklärt: „Als Entwick­lungs­partner stellen wir TFF-Pulver selbst her und fahren mit unseren modernen Dosier­ma­schinen von Harro Höfliger Abfüll­ver­suche. So können wir bereits während der frühen Entwick­lung die Kompa­ti­bi­lität der Formu­lie­rungen mit den Kapsel­füll­ma­schinen prüfen. Das ermög­licht eine sichere Produk­tion der Prüf­muster und später ein erfolg­rei­ches Scale-up.“

„Als Entwick­lungs­partner stellen wir TFF-Pulver selbst her und fahren mit Dosier­maschinen von Harro Höfliger Abfüll­ver­suche.“Justin Lacombe, Ph.D.
Chief Scien­tific Officer bei Experic

Endlose Möglich­keiten

Die Parti­kel­tech­no­logie Thin-Film-Free­zing hat viel Poten­zial. TFF Phar­maceu­ti­cals und Experic arbeiten gemeinsam an der Entwick­lung neuer Einsatz­mög­lich­keiten. Eine davon ist das inha­lier­bare Tacro­limus-Produkt von TFF Phar­maceu­ti­cals, das sich derzeit in Phase-2-Studien befindet. Tacro­limus ist ein Arznei­stoff, der als Immun­sup­pres­sivum wirkt. In inha­lier­barer Form wird es derzeit als Alter­na­tive zur oralen Gabe für Pati­enten mit Lungen­trans­plan­ta­tionen unter­sucht. Eine direkte Verab­rei­chung über die Lunge könnte eine mit der oralen Therapie vergleich­bare Wirk­sam­keit entfalten, gleich­zeitig aber Neben- und Wech­sel­wir­kungen reduzieren.

Die TFF-Entwickler wollen jedoch nicht nur bestehende Medi­ka­mente anpassen. Koleng erklärt, dass etwa ein Drittel der wich­tigsten welt­weit verfüg­baren Arznei­stoffe schwer wasser­lös­lich sind und dass sich die Dünn­schicht-Gefrier­tech­no­logie für viele von ihnen eignet, ebenso wie für Kombi­na­ti­ons­the­ra­pien und das wach­sende Segment der Biolo­gika. „Inha­lier­baren Pulvern gehört die Zukunft“, sagt er und fügt hinzu: „Sie lassen sich genau dosieren, benö­tigen keine Kühl­kette für Lage­rung und Vertrieb und sind wesent­lich einfa­cher zu hand­haben als sterile Spritzen. Mithilfe der TFF-Tech­no­logie geben wir ihnen Rückenwind.“

 

Wie funk­tio­niert die TFF-Technologie?

1. Formu­lie­rung:

Der Prozess beginnt mit dem Einbringen von einem oder mehreren Wirk­stoffen in ein flüs­siges Träger­system. Diese Flüs­sig­keit kann Zusatz­stoffe enthalten, die eine gleich­mä­ßige Vertei­lung fördern und Aggre­ga­tion vermeiden. Hilfs­stoffe unter­stützen einen kontrol­lierten Trans­port zum Zielort.

2. Einfrieren:

Durch Einfrieren der Flüs­sig­keit auf der Ober­fläche einer Trommel entsteht eine spröde Matrix. Die Partikel verfügen über eine große Ober­fläche und eine geringe Dichte.

3. Gefrier­trocknen:

Das gefro­rene Lösungs­mittel wird bei diesem Schritt entfernt, wodurch ein trockenes ­Mate­rial entsteht. Es kann in Pulver­form gebracht werden, um eine Anwen­dung in Lunge, Nase, Augen oder auf der Haut zu ermöglichen.

4. Veredeln:

Nun erfolgt das weitere Verar­beiten der Matrix­par­tikel, abge­stimmt auf die gewünschte Darreichungsform.

Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen

Fotos: Experic, Avector/Adobe Stock