Ist es korrekt, wenn wir anstatt über Barrieretechnik über Containment reden?
Brugger: Nein, auch wenn das vielfach gleichgesetzt wird. Oberbegriff ist die Barrieretechnik. Reden wir über Produktschutz, sind wir im Revier der Aseptik. Betrachten wir aber den Bediener- und Umweltschutz, dann sind wir beim Thema Containment. Verwirrung entsteht auch, weil wir im deutschen Sprachraum den Begriff Containment nur für die Umhausung verwenden, im englischen wird darunter aber der gesamte Prozess inklusive Handling und Schnittstellenproblematik verstanden.
Ist Harro Höfliger in beiden Feldern aktiv?
Ja, mit viel Engagement seit Gründung unserer Abteilung im Jahr 2008. Schließlich kommen immer häufiger hochaktive Wirkstoffe zum Einsatz, beispielsweise bei der Krebstherapie oder bei Hormonbehandlungen. Unabhängige Marktforscher rechnen mit einem jährlichen Durchschnittswachstum des HPAPI-Marktes (High Potency API) zwischen 2015 und 2022 von knapp 15 Prozent. Darin steckt also viel Potenzial. Andererseits werden immer komplexere Wirkstoffe verarbeitet, die häufig nicht terminal sterilisiert werden können und deshalb aseptisch verarbeitet werden müssen.
Welche Themen bestimmen die Aseptik?
Bei aseptischen Anlagen gibt es eindeutige Richtlinien wie die FDA Guidance „Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing“ oder die EG-GMP Richtlinien. Grundsätzlich geht es um die aseptische Verarbeitung von sterilen Produkten: Keime, Viren und Sporen, also alle Arten von Verunreinigungen, müssen vom Produkt ferngehalten werden. Wir realisieren Isolatoren, offene und geschlossene RABS (Restricted Access Barrier System) mit integrierten Laminar-Flow-Systemen. Auch die Schnittstellen haben wir mit Rapid Transfer Ports oder aktiven und passiven Mouseholes im Griff. Selbstverständlich beherrschen wir auch komplexe Prozesse mit hohen Anforderungen an Temperatur- und Feuchteregelung sowie unter Schutzgasatmosphäre. Wir haben beispielsweise eine Anlage realisiert, in der Cryo-Pellets unter Stickstoffatmosphäre abgefüllt werden.
Welche Rolle spielt dabei der Mensch?
Eine Doppelrolle. Denn er ist auf der Seite der Aseptik der Hauptstörfaktor – denken Sie nur an Keime und Partikel wie Hautschuppen, Kleidungsabrieb oder Schweißtropfen. Andererseits müssen wir ihn bei der Verarbeitung von hochaktiven Wirkstoffen mit Containment vor diesen Stoffen schützen.
Wie werden die Schutzmaßnahmen festgelegt?
Ein wichtiger, aber längst nicht der einzige Faktor ist der vorgegebene OEL-Grenzwert (Occupational Exposure Limit), den es zu erfüllen gilt. Es gibt viele Fragen zu beantworten. Welche Eigenschaften hat das Produkt? Wie lange arbeitet der Bediener täglich an der Anlage? Wie viele Anteile vom Wirkstoff sind im Endprodukt? Welche externen Schnittstellen hat der Prozess? Welche Eingriffsmöglichkeiten braucht der Bediener? Erst wenn das alles bekannt ist, können wir die Expositionswahrscheinlichkeit bestimmen und gehen ans Design der Containment-Lösung.
Welche Werkzeuge benutzen Sie dazu?
Selbstverständlich alle modernen Tools wie computergestützte Konstruktion (CAD), numerische Strömungsmechanik (CFD) und Virtual Reality. Wir bauen aber auch aus Holz ein Mock-up der kompletten Anlage. Damit simulieren wir die Bedienung. In teils mehrtägigen Sequenzen werden vom Rüsten über die Fehlerbehebung bis zur Reinigung alle denkbaren Prozessschritte zusammen mit unseren Kunden nachgestellt. Da feilen wir an ergonomischen Details. So kann ein Bediener über die Handschuheingriffe auch mit realistischen Gewichten hantieren und beurteilen, ob das im Alltag handhabbar ist.
Bernhard Brugger, Department Leader Design & Development Isolators & Containment Systems bei Harro Höfliger,
verbrachte schon die Studienzeit im Reinraum. Mehrere Jahre Tätigkeit bei der Fraunhofer-Gesellschaft ebneten seinen Weg in Aseptik und Containment. Nach mehreren Stationen in der Industrie – immer nah am Thema – kam er 2008 zu Harro Höfliger. Brugger gründete die Abteilung Barrieretechnik und leitet heute ein Team von neun Mitarbeitern.
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Fotos: Harro Höfliger