KNOW-HOW  

Schwie­rige Pulver abfüllen

Es gibt Pulver, die schwie­riger abzu­füllen sind als andere. Die Experten von Harro Höfliger finden für alle die geeig­nete Abfüll­lö­sung. Und wenn es sein muss, erfinden sie eine neue. Ganz nach der Devise: Das Produkt bestimmt den Prozess.

Manchmal raufen sich auch die gewief­testen Pulver­spe­zia­listen bei Harro Höfliger die Haare. Dann beispiels­weise, wenn das abzu­fül­lende Mate­rial aufgrund der Parti­kel­form oder -größe, seiner Stabi­lität oder Dichte partout nicht in die vorge­se­hene Kapsel oder die Näpf­chen des Blis­ter­strei­fens dosiert werden kann.

Für Dr. Karl­heinz Seyfang, Prin­cipal Consul­tant bei Harro Höfliger, sind es genau diese wider­spens­tigen Pulver, die seine Arbeit span­nend machen. Denn kneifen gilt nicht: „Formu­lie­rungen nach ihrer Zulas­sung zu ändern ist nicht möglich“, erklärt er. „Wir müssen sie verar­beiten, wie sie sind – das Gleiche gilt für die Ziel­ge­fäße. Deshalb bestimmt bei uns das Produkt den Prozess. Letzt­lich finden wir für alles eine Lösung.“

Kniff­lige Pulver

Wir zeigen ein paar der beson­ders wider­spens­tigen Materialien.

Hohle Mikro­kü­gel­chen haben eine extrem geringe Dichte (<0,03 g/ml). Zum Vergleich: Die Dichte von Zucker ist 20 Mal höher. Die Partikel sind daher trotz Kugel­form nur mäßig flie­ßend und empfind­lich gegen­über hoher rela­tiver Luftfeuchtigkeit.

Solche Formu­lie­rungen bestehen aus dem Wirk­stoff in Form kleiner „Krümel“, die auf Träger­kris­talle aus Laktosemono­hydrat aufge­zogen sind. Im Pulver­in­ha­lator ­müssen sich die Wirk­stoff­par­tikel vom Träger ablösen. Das kann leider bereits beim Dosier­pro­zess passieren. Dann besteht Entmischungsgefahr.

Gefrier­ge­trock­nete Formu­lie­rungen verklumpen bei zu hoher rela­tiver Luft­feuch­tig­keit. Zudem werden die Fließ­ei­gen­schaften des Pulvers durch die ungüns­tige Parti­kel­form negativ beein­flusst: Die Schuppen können sich mecha­nisch verhaken.

Poly­mer­kü­gel­chen, in die ein Wirk­stoff einge­bettet ist, dürfen nicht beschä­digt werden, da sich dadurch die Frei­setzungsrate verän­dert. Diese Formu­lie­rung wird inji­ziert, daher muss die Abfül­lung asep­tisch erfolgen. Aufgrund des hohen Mate­ri­al­werts muss das Dosier­system komplett leer­ge­fahren werden können.

Silber­oxid zur Beschich­tung von Wund­ver­bänden ist eine Anhäu­fung extrem feiner Teil­chen. Die inter­par­ti­ku­lären Haft­kräfte führen dazu, dass das Mate­rial schlecht fließt, dazu neigt, zusam­men­zu­klumpen und bei der Verar­bei­tung an Maschi­nen­teilen zu kleben.


Das passende Dosiersystem

Die Lösungs­suche beginnt beim rich­tigen Dosier­system. Sonder­ma­schinen von Harro Höfliger sind meist mit volu­metrischen Dosier­sys­temen ausge­stattet. Dr. Seyfang: „Wir arbeiten häufig mit sehr nied­rigen Dosier­mengen, die in kleine Ziel­be­hält­nisse gefüllt werden müssen – zum Teil mit 100 % Füll­grad. Das ist bei Pulvern mit Parti­kel­größen kleiner als 10 µm eine echte Herausforderung.“

Bei diesen winzigen Parti­keln über­wiegen die inter­par­ti­ku­lären Haft­kräfte: Das Mate­rial fließt sehr schlecht, verklumpt und haftet an den produkt­be­rüh­renden Ober­flä­chen der Maschinen. Um fest­zu­stellen, wie sich ein Pulver bei der Hand­ha­bung verhält, werden die Eigen­schaften bei Harro Höfliger im Labor bestimmt. Hier wird unter anderem unter­sucht, wie sie sich auf das Fließ­ver­halten auswirken. Das wird dann auch ganz prak­tisch auf Table-Top-Vari­anten gängiger Abfüll­sys­teme überprüft.

„Wenn wir ein passendes System gefunden haben, ist es bis zur Produk­ti­ons­ma­schine skalierbar.˝ Dr. Karl­heinz Seyfang, Prin­cipal Consul­tant bei Harro Höfliger

Schon hier zeigt sich im Kleinen, was später im Großen zu Problemen führen kann. Wenn das Pulver schlecht fließt, wird es die Dosier­kammer nicht richtig befüllen. Rüttel­vor­rich­tungen, Ultra­schall oder auch das Ansaugen des Pulvers mithilfe von Unter­druck können Abhilfe schaffen. Dr. Seyfang: „Unsere Table-Top-Dosier­sys­teme decken schon sehr viele Anfor­de­rungen ab und wenn wir ein passendes System gefunden haben, folgt ein Scale-up bis zur Produktionsmaschine.“

Passende Rahmen­be­din­gungen

Das Wissen um die Pulve­r­ei­gen­schaften ist aber nicht nur für die exakte Dosie­rung wichtig. Auch für die spätere reibungs­lose Verar­bei­tung auf der Maschine müssen Pulver und Prozesse harmo­nieren. Über 90 Prozent der Projekte, an denen Harro Höfliger arbeitet, betreffen Arznei­mittel und Medi­zin­pro­dukte. Deren Stabi­lität ist über die gesamte Lager- und Anwen­dungs­dauer zu gewährleisten.

Um das sicher zu stellen, müssen die Rahmen­be­din­gungen bei der Herstel­lung stimmen. So kommen beispiels­weise immer häufiger Biophar­ma­zeu­tika zum Einsatz, die Proteine und Peptide als wirk­same Bestand­teile enthalten. Sie werden häufig als Lyophi­li­sate oder sprüh­ge­trock­nete Pulver einge­setzt, die nur bei sehr geringer rela­tiver Luft­feuch­tig­keit weiter­ver­ar­beitet ­werden dürfen, damit sie nicht verklumpen.

Ist die rela­tive Luft­feuch­tig­keit aller­dings zu gering, kommt es zu stati­schen Aufla­dungen: Die Dosier­pro­zesse sind dann nur schwer zu kontrol­lieren, da sich die Pulver­par­tikel gegen­seitig abstoßen oder am Dosier­system haften. Dr. Seyfang: „Das ist nur einer von vielen Balan­ce­akten, die wir meis­tern müssen. Bei schwie­rigen Substanzen müssen wir manchmal auch neue, indi­vi­du­elle Lösungen entwi­ckeln. Aber für diese ganz beson­deren Heraus­for­de­rungen sind wir ja schließ­lich Sondermaschinenbauer.“

Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen

Foto: Janine Kyofsky