Auf einmal bleibt die Luft zum Atmen weg, der Brustkorb fühlt sich eng an und schmerzt, quälender Husten schüttelt den Körper – Asthmasprays helfen, solche Anfälle zu vermeiden. Bald sollen Patienten dabei zu einem neuen Medikament greifen können: einem Inhalator, der die Symptome mit einer Kombination aus zwei Wirkstoffen bekämpft. Das Generikum wird derzeit von einem Pharmaunternehmen gemeinsam mit Harro Höfliger entwickelt.
„Das Originalprodukt ist ein Blisterinhaler, in dem die zwei Wirkstoffe getrennt voneinander gelagert werden“, sagt Dr. Elke Sternberger-Rützel, Division Leader Pharma Services bei Harro Höfliger. „Für das Generikum hatte der Kunde einen besonderen Wunsch. Er wollte einen kapselbasierten Inhaler, in dem sich beide Wirkstoffe gemeinsam in einem Pulver befinden.“
Den Wirkstoff schützen
Keine einfache Aufgabe für das Team, das damit das erste Projekt im Bereich Inhalationspulverentwicklung umsetzt. Denn die beiden Wirkstoffe dürfen auf keinen Fall miteinander reagieren. „Wir mussten den einen Wirkstoff vor dem anderen schützen, damit beide stabil bleiben“, erklärt Dr. Sternberger-Rützel. Wie das funktioniert, erforschten die Experten der Pharma Services im neuen, hochmodernen Labor.
Mischen, abfüllen, untersuchen
Dazu wählten sie zuerst die geeigneten Laktosen für die Pulvermischung aus. Diese sind wichtig, um Wirkstoffe in geringer Dosierung zu verdünnen, damit sie überhaupt abfüllbar sind, und um sicherzustellen, dass der Patient bei der Inhalation einen Effekt spürt. Da einer der Wirkstoffe bei direktem Kontakt mit Laktose zerstört wird, wurde die Mischung mit dem Schmiermittel Magnesiumstearat versetzt. Dann folgten Mischversuche. Acht Mischungen pro Wirkstoff sind so entstanden, welche die Experten abfüllten und im Labor untersuchten. Um die Qualität der Pulver zu beurteilen, entwickelte Laborleiterin Karin Marek eine Analyse in sechs Schritten.
In sechs Schritten zum optimalen Ergebnis
1 Fließfähigkeit:
Kann ich das Pulver abfüllen?
Zuerst untersuchen die Labormitarbeiter das Verhalten des Pulvers. Fließt es gut oder schlecht? Lässt es sich gut in Kapseln abfüllen?
2 Wasserkontaktwinkel:
Umhüllt das Magnesiumstearat die Laktose?
Dann testen sie, ob die Menge des der Laktose zugesetzten Magnesiumstearats und die Mischgüte stimmt. Dazu entwickelte Harro Höfliger eine eigene Messmethode: Die Forscher geben einen Wassertropfen auf die Oberfläche der Laktose. Bleibt er auf der Laktose stehen, stimmt die Mischung.
3 Blend uniformity:
Wie gleichmäßig ist der Wirkstoff in der Gesamtmischung verteilt?
Um zu überprüfen, ob die beiden Wirkstoffe in der Gesamtmischung überall gleichmäßig verteilt sind, nehmen die Experten Proben und messen die Wirkstoffkonzentration. Ist die Mischung nicht homogen, müssen im nächsten Versuch die Mischparameter angepasst werden.
4 Content uniformity:
Ist die richtige Menge Wirkstoff in der Kapsel enthalten?
Stimmt die Mischung in der Gesamtmenge, wird die Konzentration in den einzelnen Kapseln überprüft. 25 Mikrogramm von Wirkstoff 1 und 200 Mikrogramm von Wirkstoff 2 sollten in jeder der untersuchten Kapseln enthalten sein. Mit der Bestimmung können Rückschlüsse auf die Güte des Abfüllprozesses gezogen werden.
5 Emitted dose:
Wie viel Wirkstoff kommt aus dem Inhaler?
Im nächsten Schritt geht es darum zu prüfen, ob auch genug Wirkstoff beim Patienten ankommt. Dazu nutzt das Team von Harro Höfliger einen sogenannten „Dosage Unit Sampling Apparatus“ (DUSA). Das Gerät erzeugt einen Unterdruck und simuliert so das Einatmen eines Patienten. Was DUSA „eingeatmet“ hat, wird in eine Lösung gespült. Ein Hochdruckflüssigkeitschromatograph (HPLC) bestimmt den darin enthaltenen Wirkstoff. „Etwas Wirkstoff bleibt immer in der Kapsel kleben“, erklärt Karin Marek. Reicht die emittierte Menge nicht, muss entweder mehr Wirkstoff in die Kapsel gefüllt oder die Formulierung geändert werden.
6 Bestimmung der aerodynamischen Partikelgröße: Kommt die richtige Menge in den Lungenbläschen an?
Nun messen die Experten, ob auch genug Wirkstoff in den Lungenbläschen ankommt. Dazu verwenden sie den Next Generation Impactor (NGI), eine Art aerodynamisches Strömungsmodell der Lunge, durch das die Partikel nach Anlegen des Unterdrucks gesaugt werden. Je nach Größe bleiben sie dabei in unterschiedlichen Abschnitten hängen, die im Modell den Bronchien und der tiefen Lunge (Lungenbläschen) entsprechen. Die Laboranten messen, wie viel Wirkstoff in welchem Abschnitt gelandet ist. Nur wenn die richtige Verteilung erreicht wird, ist die Pulverentwicklung geglückt.
Immer wieder testen und anpassen
Die perfekte Mischung gelingt natürlich nicht beim ersten Mal. Anpassungen im Prozess sind immer wieder notwendig. Doch trotz aller Hürden ist das Team nach einigen Monaten bereits weit gekommen – das Projekt steht kurz vor dem Abschluss.
„Das ist einer der großen Vorteile, wenn der Maschinenbauer die Pulverentwicklung gleich mitmacht“, sagt Karin Marek. „Die Projektzeit verkürzt sich enorm, wenn alle Beteiligten in einem Haus sitzen. Wir können die Optimierungsschritte gemeinsam mit unseren Kollegen aus der Maschinenentwicklung sehr viel zügiger anstoßen.“ Dr. Sternberger-Rützel pflichtet bei: „Wir haben das Zusammenspiel von Formulierung, Abfülltechnologie und Device von Anfang an im Blick. Das macht unsere Pharma Services so einzigartig.“
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